Anmerkung der Redaktion: Die vom Autor bereitgestellte deutsche Fassung wurde unverändert veröffentlicht und hat nicht denselben Lektorats- und Korrekturprozess wie die polnische und die englische Fassung durchlaufen.
Die polnischsprachigen Medien in Deutschland sind bereits 120 Jahre "alt", wie die Deutschen bei der Altersangabe sagen. Sie wurden von sehr unterschiedlichen Menschen organisiert: von politischen, militärischen und wirtschaftlichen Emigranten, sowie von Menschen, die sich aus freien Stücken außerhalb Polens niederließen. Sie (die Medien) waren sowohl ein Element als auch ein Ausdruck der Identität und der kulturschaffenden Aktivitäten verschiedener polnischer Gemeinschaften und Emigranten. Ihre Inhalte waren – und sind – die Phänomene an der Grenze zwischen zwei Kulturen: der polnischen und der deutschen, so dass man von ihrem dialogischen Charakter sowie von der Entwicklung des Multikulturalismus sprechen kann.
Die Anfänge
Die Anfänge der Präsenz dieser Medien auf deutschem Boden gehen auf das späte 19. Jahrhundert zurück, als Polen auf der Suche nach Arbeit ins Ruhrgebiet kamen. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts führten die Deutschen das so genannte "preußische Vertreibungen" (pol. „rugi pruskie") auf dem Gebiet der preußischen Teilung rücksichtslos durch. Sie betrafen rund 26 Tausend Menschen. 1886 setzte der Preußische Sejm auf Antrag der Regierung eine Kolonisationskommission mit einem Fonds von 100 Millionen Mark ein. Die Kommission sollte Grundbesitz aus polnischer Hand aufkaufen und unter deutschen Bauern aufteilen. Auch bäuerliche Betriebe waren von dieser Verfolgung betroffen. Auf der Grundlage des "Umsiedlungsdekrets vom 26. März 1885" wurden Bauern und Grundbesitzer gezwungen, ihre Höfe zu verlassen. Um sich vor dem Hungertod zu retten, gingen viele von ihnen auf der Suche nach Arbeit ins Ruhrgebiet.
Ein polnischer Emigrant in Bochum schrieb: "Unsere Väter, obwohl sie aus einfachen Bauernfamilien stammten [...], dachten immer an die Zukunft, an diejenigen[,] die nach ihnen kommen würden. Sie wollten [...], dass die heimische Elite aus ihren Reihen kommt, deshalb hielten sie am Organisationsleben fest". (1)
In der Anfangsphase der Organisation von Zeitschriften in Deutschland spielten Geistliche eine wichtige Rolle, z.B. Pater Józef Szotowski (Gründer von mehr als 20 katholischen Organisationen in Deutschland) und Franciszek Liss, der die erste polnische Zeitschrift in Deutschland – "Wiarus Polski" in Bochum (die sogenannte „Bochumer Schmiede“) - gründete und herausgab, oder Michał Kwiatkowski (Herausgeber der Tageszeitung "Narodowiec" in Herne). Zu Beginn der 1920er Jahre zogen diese Zeitschriften nach Frankreich um.
Bund der Polen in Deutschland
Als 1922 der Bund der Polen in Deutschland (im Folgenden ZPwN genannt) gegründet wurde und die bis dahin zersplitterten polnischen Institutionen, sowie Vereine wurden zentralisiert, auch die Presse wurde unter ihre Kontrolle gebracht. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden mehr als ein Dutzend polnischsprachige Titel unter der Obhut der ZPwN veröffentlicht, darunter auch "Kleiner Pole in Deutschland" und "Junger Pole in Deutschland" (Beilagen zu "Polak w Niemczech-Pole in Deutschland“ 1930-1939, "Dziennik Berliński"-"Berliner Tageszeitung“ (darüber hat schon „Kuryer Polski“ Ende November berichtet) (1897-1939), "Gazeta Olsztyńska"-Allensteiner Zeitung“ (1889-1939), "Głos Pogranicza i Kaszuby-Stimme des Grenzlandes und Kaschubei " (1929-1939), sowie "Nowiny Codzienne-Tägliche Neuheiten" (1911-1939) und andere.
Die wichtigste davon war das "Bulletin des Bundes der Polen in Deutschland" (1924-1925). Die erste Ausgabe von "Biuletyn" erschien am 01.07.1924. Sie wurde nur für kurze Zeit, nämlich bis März 1925, herausgegeben; insgesamt gab es nur neun Ausgaben. Am 01.04.1925 wurde ihr Name in "Polak w Niemczech" -"Pole in Deutschland" geändert (1925-1939). Herausgeber der Vorkriegszeitschrift war der ZPwN, Chefredakteur war Władysław Wesołowski. Neben ihm sind die folgenden Herausgeber zu nennen: Jozef Kwietniewski und Edmund Osmańczyk. Die Redaktion und Verwaltung (Vorstand des P.W.N.T.) befand sich in Berlin-Charlottenburg, Schlüterstraße 57.
"Pole in Deutschland"
Am ersten April 1925 (Nr. 4) kündigte die Redaktion von "Pole in Deutschland" an: "Diesen Monat erhalten Sie anstelle des „Bulletins“ den "Polak w Niemczech". Es wird, wie das „Bulletin“, das zentrale Organ des Bundes der Polen in Deutschland sein; es wird eine Zeitschrift sein, die einmal im Monat erscheint und sich bemüht, ein ideologisches Bindeglied zwischen den Mitgliedern der Union zu sein, ein Vermittler zwischen der Zentrale der Union und den Abteilungen, Zweigstellen und Einzelmitgliedern, ein Bindeglied zwischen den über ganz Deutschland verstreuten polnischen Gruppen“ (2).
Die Bandbreite der Interessen der Zeitung lässt sich an den Titeln in der Ausgabe von 1925 ablesen: Jan Kasprowicz: "Selig" (Gedicht), "Minderheit". "Wahl des Reichspräsidenten", "Über das polnische Schulwesen in Oppeln Silesia", "Gesetz über die kulturelle Autonomie der nationalen Minderheiten in Estland“ oder "Politische Chronik".
Die Zeitschrift erschien monatlich und wurde kostenlos an die Mitglieder des ZPwN verteilt. Man könnte sagen, dass "Pole in Deutschland" eine Ephemeride war, die seit 1925 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten mit vielen Unterbrechungen, herausgegeben wurde. Die ersten Ausgaben erschienen monatlich, später jährlich. Im Jahr 1972 wurde die Zeitung überhaupt nicht mehr herausgegeben.
Neben der Dokumentation der Vereinsarbeit war das Hauptziel der Zeitschrift die Erhaltung und Vertiefung der polnischen Kultur, Sprache und des Nationalbewusstseins der in Deutschland lebenden Polen. Die Zeitschrift informierte auch über wichtige (politische) Ereignisse im wiedergeborenen polnischen Staat und in Deutschland, über das religiöse Leben der Polen in Deutschland und über die Zusammenarbeit des Bundes mit dem polnischen Klerus: 1934 gab es sogar ein Sonderheft "Ein Pole in Deutschland", das auf 28 Seiten die Pilgerfahrt von Polen aus Deutschland nach Rom im Oktober 1933 dokumentierte. (2)
Nach dem Krieg
Nach einer Pause von 13 Jahren erschien 1952 wieder die Zeitschrift "Pole in Deutschland". Hier einige Worte aus der ersten Nachkriegsausgabe (1952), die den Charakter und das ehrgeizige Ziel der Zeitung verdeutlichen: "Nach langer Pause geben wir das Organ unseres Vereins wieder heraus (...). Die Monatszeitschrift wird unseren Glauben, unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen dokumentieren. Sie wird sowohl nach innen als auch nach außen unsere treuen Grundsätze gegenüber der Kirche, der Nation und der Menschheit verkünden. " (3.)
Da die ZPwN (Bund der Polen in Deuschland) in den 1950er Jahren mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wurde die Veröffentlichung des Presseorgans nach 1953 erneut unterbrochen, dieses Mal für acht Jahre. 1962 erschien eine Sonderausgabe anlässlich des 40-jährigen Bestehens der ZPwN und 1963 erschienen zwei Ausgaben von "Polak w Niemczech", in denen der Verein den Beschluss des Bunesrates veröffentlichte, wonach das Presseorgan fortan sporadisch erscheinen sollte. Die letzte Ausgabe der Zeitschrift im Jahr 1972 war eine umfangreiche Sonderausgabe zur Feier des 50-jährigen Bestehens der ZPwN und des 100-jährigen Jubiläums der Auswanderung polnischer Arbeiter.
Es folgte eine Pause, die bis zum 01.04.2018 andauerte.
Für Kinder und Jugendliche
Die Vorkriegsausgabe der Zeitung "Pole in Deutschland" wurde durch zwei Zeitschriften für die junge und jüngste Generation der in Deutschland lebenden Polen bereichert: "Junger Pole in Deutschland" und "Kleiner Pole in Deutschland" waren Beilagen zum offiziellen Presseorgan des ZPwN.
„Junger Pole in Deutschland" wurde am 1. April 1930 veröffentlicht. Sie richtete sich vor allem an in Deutschland lebende polnische Jugendliche. Herausgeber war Edmund Osmanczyk 1935 Leiter des Pressezentrums der ZPwN), Chefredakteurin war Helena Lehr. Erscheinungsorte waren Berlin, Herne und Oppeln.
In der ersten Ausgabe von "Junger Pole" wurden die Aufgaben und Ziele der Jugendzeitschrift wie folgt definiert:
Unser Ziel ist es, die polnische Jugend in Deutschland zu vereinen. (...) Wir wollen und wir werden einen vollwertigen Polen schaffen. Wir werden in der Jugend die Liebe und das Gefühl der unzerstörbaren Verbundenheit mit der großen polnischen Nation wecken und stärken - wir wollen der Jugend das volle Verständnis für die Aufgabe geben, die sie im deutschen Staat zu erfüllen hat. Andererseits wollen wir einen in jeder Hinsicht wertvollen jungen Polen heranziehen, indem wir allgemeine Bildungsinformationen vermitteln. In Schlesien und Westfalen, in Berlin, in den Grenzgebieten und in Ostpreußen sollte die polnische Jugend nur einen Gedanken haben: Wir beginnen ein großes schöpferisches Werk. " (4)
Die letzte Ausgabe erschien am Tag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.
„Kleiner Pole in Deutschland"
"Kleiner Pole in Deutschland" erschien vom 1. August 1925 bis 1939 als Beilage des ZPwN-Presseorgans und war eine Monatszeitschrift, die sich an Kinder im Alter von 7-14 Jahren richtete. Sie hatte einen sehr umfangreichen Korrespondenzteil für kleinen Lesern. Zur Kinder sprach Onkel Franek, gespielt von Mitgliedern der Zeitungsredaktion. In den Kommentaren des "Kinderfreundes" wurden die Probleme der jüngsten Bewohner des Warschauer Stadtteils Powiśle dargestellt.
Die Redakteure wechselten häufig, darunter waren es Józef Kwietniewski, Władysław Wesołowski oder Jan Boenigek. Das Ziel von "Kleiner Pole" war es, diese Wertevorstellung bei den Kindern zu fördern: "würdig zu sein, um Pole genannt zu werden". Onkel Franek stellt in "Ein paar Worte eines kleinen Polen in Deutschland" die Frage: "Woher aber soll ein Kind, abgesehen von der elterlichen Erziehung, Anhaltspunkte dafür nehmen, wie es sich zu verhalten hat, um würdig zu sein, ein Pole genannt zu werden?" Und er richtet den Appell "An die Jugend!" - mit seinem immer noch aktuellen Inhalt - (ich zitiere vollständig):
Wenn du die Sprache der Liebe kennst, verbirg sie nicht in den Tiefen deines Herzens; wie Blumen wirfst du Worte zu den Jungen, um zu lindern, was sie bedrückt. Hass, Wut und Verrat lauern überall, nur eine Stimme, die von Herzen kommt, kann das Herz der Jugend beherrschen. (4)
Diese Zeitschrift für Kinder, wie alle anderen polnischsprachigen Zeitschriften, verstummte am 01.09.1939.
Ost-Deutschland (DDR)
In der DDR gab es nach dem Krieg keine polnischen Organisationen oder Verlage, keine polnische Presse, und die Bevölkerung mit polnischen Wurzeln war einer Zwangsassimilation ausgesetzt. Die Orte, an denen die polnische Kultur popularisiert werden konnte, waren die Zentren für polnische Information und Kultur in Ost-Berlin und Leipzig. Erst in den 1980er und 1990er Jahren begann die Konsolidierung der polnischen Medieninstitutionen und der Dialog der polnischen Diaspora mit nationalen und deutschen Institutionen.
Gegenwart — Moderne Zeiten
Die erste Ausgabe des Monatsmagazins "Pole in Deutschland" in der neuen Version wurde am 24. März 2018 in der polnischen Botschaft in Berlin während des Treffens des polnischen Konsultativrates mit dem polnischen Botschafter in Deutschland, Prof. Andrzej Przyłębski, vorgestellt. Es handelt sich bei "Pole in Deutschland", um eine Fortsetzung der Zeitschrift, die von ZPwN herausgegeben wird.
Der ZPwN informierte: "Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die erste Ausgabe der Zeitschrift "Pole in Deutschland", herausgegeben vom Bund der Polen in Deutschland e.V., erschienen ist." (5)
So konnte die Zeitschrift des Bundes, die zwischen 1925 und 1939 herausgegeben wurde, wiederbelebt werden. An dem Treffen in Berlin nahmen die Leiter und Vertreter polnischer Diaspora-Organisationen und -Kreise teil, darunter Vizepräsidentin des Bundes der Polen in Deutschland Anna Wawrzyszko, Generalkonsul Marcin Jakubowski, Botschafter III RP und Botschaftsmitarbeiter.
Die aktuelle Monatszeitschrift "Polak w Niemczech'" ist eine Fortsetzung der Vorkriegszeitschrift, die über wichtige Ereignisse im Bereich der polnischen Geschichtspolitik und das Leben der in Deutschland lebenden Polen informiert. Sie wurde dank des Engagements der führenden Aktivisten des Bundes der Polen in Deutschland Anna Wawrzyszko und Józef Malinowski wiederbelebt. Chefredakteurin des Magazins ist Anna Wawrzyszko. Sie (die Zeitung) wird von einem Team herausgegeben, das aus folgenden Personen besteht: Wojciech Kusy (bis 2020), Barbara Krajewska, Anna Mansfeld Slaski, Bożena Wisłocka, Patryk Nowak, Danuta Niklewicz, Krzysztof Patok und Alicja Pavone. Layout und Schriftsatz: Norbert Halek. Das Redaktionsbüro befindet sich vorübergehend in Berlin, nach Abschluss der Renovierung des Polnischen Hauses wird es in Bochum angesiedelt sein.
Das Interessenspektrum des modernen "Pole in Deutschland" ist sehr breit gefächert.
In der Ausgabe 9 des Jahres 2020 finden sich zum Beispiel Titel, die die Vielseitigkeit und Aktualität des Magazins verdeutlichen: "Zwischen Weichsel und Seine" von Wojciech Kusy, "Krieg gegen die Abtreibung" von Zbigniew Kopczyński, "Pobudzeni" von Maria Smigelska und Barbara Krajewska, "Aus dem Leben von Polonia" von Anna Mansfeld-Slaska. Darüber hinaus gibt es Informationen über die Eröffnung einer Ausstellung in Berlin, die Präsident Lech Kaczyński gewidmet ist. Die Ausstellung stand unter dem Motto: "Professor Lech Kaczyński, Präsident der Republik Polen. Politiker. Sozialer Aktivist. Akademischer Lehrer". Es wurde am 10. September 2020 von dem Botschafter der Republik Polen in Deutschland, zusammen mit dem ungarischen Botschafter Imre Györkös und dem georgischen Botschafter Prof. Levan Izoria offiziell eröffnet. (Ungarn und Georgien! - das sagt so viel aus!).
Darüber hinaus können Sie in der neu erschienenen Ausgabe von "Polen in Deutschland" ein Interview mit dem Redakteur Tadeusz Płużański und viele weitere Belege für das "Am Puls des polnischen Lebens" in Polen und in der BRD lesen. In der Monatszeitschrift finden Sie viele weitere aktuelle Nachrichten aus dem polnischen Leben, z.B. "30. Jahrestag der Visegrad-Kooperation" oder "In den Kresy schlagen die Federn"; sie stellt heldenhafte Profile der Söhne unserer Nation vor, z.B.: "Das Bild von Rotmistrz Pilecki auf der Lokomotive des Zuges Warschau - Berlin" oder "Generationen der Freiheit - Familien, die in den Jahren 1920-1940-1980 ihr Leben für Polen gaben". Zudem können sie etwas über die Kultur unserer Nation erfahren: "Die Familie Sierakowski des Ogończyk-Wappens, Patrioten gegen alle Widerstände."
Kürzlich (vor der Bundeskanzlerwahl) veröffentlichte diese Zeitung auch eine Aussage des Kanzlerkandidaten Armin Laschet zum Thema „Polen“: "Ich wünsche mir eine Intensivierung der deutsch-polnischen Beziehungen". Vor der Wahl zum Bundeskanzler ist es gut, die Polen auf seiner Seite zu haben, aber es hat ihm nicht geholfen, in dieses Amt gewählt zu werden – es war aber nicht die Schuld Polens.